Bremen 16.09.06

Zum mittlerweile fünften mal in weniger als 1½ Jahren an die Weser, wohlgemerkt ohne Fußball. Welcher Verein kann das schon von sich behaupten?

Außerdem ist das „Dröhn“ (nette Umschreibung der Einheimischen) ja eh so etwas wie ein Heimspiel für den Verein Eintracht ENKELZ. Zwischen heimelig und hemelig.

(Für nicht eingeweihte: Das ALADIN liegt in Bremen Hemelingen.)

Der zwar sündhaft teure, aber in Sachen Ladekapazität unschlagbare, erstmals gemietete Neunsitzer besticht durch einen grandios fassungsfreudigen Stauraum. Zwei bis drei gefesselte Gestalten nicht genehmer Kategorie hätten durchaus noch Platz auf dem Weg zum Schafott. Lassen wir das…

Im Übungsraum wird kurz vor Ausflugsantritt noch einmal ausgiebig das neue „Spielzeug“ der Bande über die interne PA demonstriert. Ein Sample Pad mit der die Show effektiv ergänzenden Geräuschkulisse für diverse Lieder.

Glockengedröhn, Explosionsknall, Geheul von Sirenen, Wölfen usw., das Teil lässt nichts von dem aus, was so gebraucht wird.

Bedienbar per Schlagzeugstick neben dem „Ride Debbie Ride“ Becken. Womit der Ausführende bei näheren Recherchen namentlich bekannt sein sollte…

Die Konversation im Gefährt fällt somit folglich lauter als üblich, denn jedem der Insassen klingeln noch gehörig die Ohren. Was den gottesdienstlich unterworfenen Glockenfetischisten in südlichen Gefilden sonntagmorgens in Sachen Phonzahl recht ist, kann einem Herrn Krid eben nur billig sein.

Heute sind Pyros am Start. Ein heftig vorbereitungsintensives Thema. Der sich aufopfernd zur Verfügung stellenden Biggi klingeln ebenfalls noch immer die Ohren, allerdings vom Dauertelefonieren bezüglich der einwandfreien Vorbereitung zum Thema bunte Blitze, knorkiger Knallerei und dampfender Detonationen.

Die Ausführung des Cuxhavener Einmannbetriebes ist extrem zeitaufwendig, dafür liegen dann auch etliche Kilometer dünnster Kabelatur in dicken Strängen auf der Bühne. Umgeben von einer zarten, weißlichen Schicht noch dünnerer Konsistenz mit noch dickerer Brennbarkeit. Whole lotta Puderzucker.

Extrem Feging heißt das Motto für den Verfasser dieser Zeilen in böhser Besenschwingermentalität knapp 10 Minuten vor Auftrittsbeginn.

Backstage findet so gut wie gar nicht statt, Backyard dafür umso mehr. Ein paar Tische und Bänke im Hinterhof des Etablissements sind bei sommerlichen Temperaturen wesentlich geeigneter für die einstimmenden Vorbereitungen auf das Konzert als bei der Bullenhitze im Inneren des Gemäuers.

Zur Premiere des neu eingespielten „Feuer“ muss alles passen. Was dann auch ordentlich passiert. Der Aspekt der Ausbaufähigkeit inklusive.

Es zischt, explodiert, knallt und wummert im glitzerig glamourösen, gleißenden Glanz. Auch für das ebenfalls erstmalig intonierte Lied „Flammen“.

Eine Hommage an Pulver, Schwefel und manch anderer Zutaten aus der Alchemistenküche in bester Sylvesterlaune. Siehe Bilder unter 1.

Die Hütte ist rappeldicke voll und komplett ausverkauft bis direkt unter das Dach. Jenes Gasgemisch, dass sich bis vor 2 Stunden noch „Luft“ nennen konnte, enthält nunmehr einen gefühlten Sauerstoffgehalt von ca. Null Prozent. Auf dem Fußboden sammelt sich das Kondensat aus wieder ausgehecheltem „Atem“, Schwitzwasser und verschüttetem Bier.

Jede/r klebt japsend vor sich hin. Gut sichtbar für alle, denn das Spektakel wird auf 2 Leinwänden links und rechts der PA live in den Saal übertragen.

Spaßiger Schlapp(Drum)Stick am Rande: Ein gewisser Bela B., notorischer, beratungsresistenter BO Feind beehrt mit seiner aktuellen Schlagercombo „irgendwas mit y los Helmstedt“ in der gleichen Woche kurz vor uns das ALADIN. Wieso macht so ein Heini auf spanisch? Beim „Klassenfeind“ Inspirationen geholt? Viva los Helmstedt? Brrr… Niemals!

Recht indigniert sei er gewesen – so berichten Mitarbeiter des Hauses – dass nach dem Ende der ONKELZ nun eine Band namens ENKELZ sich offensichtlich großer Beliebtheit erfreue. Mit BO hätte es immer Ärger gegeben, insofern wolle er die ENKELZ auch gar nicht erst kennenlernen….

Welch Schicksalsschlag. Dabei hat sich gerade diese Begegnung jeder von uns doch so sehnlich gewünscht! Ein begnadet virtuoser Schlagzeuger und allseits respektierter Hardrocker beliebt uns wohlweislich zu ignorieren, das tut wahrhaftig richtig weh!!

Passend vor dem Lied „Ihr sollt den Tag nicht vor dem Abend loben“ erläutert Achimo in moderaten Worten unseren Schmerz. Jedoch, Herr Felsenheimer rächt sich und setzt trotz Abwesenheit noch „einen oben drauf“.

Denn unser Sänger hat den eigentlich in Fleisch, Blut und Gemüt verinnerlichten Text just in diesem Moment laut eigenem Bekunden schlichtweg „vergessen“.

Das frappierend spontan ehrliche, fast schon schamhaft grinsende Eingeständnis dieser Tatsache löst bei der Meute nur uneingeschränkten Jubel aus. Von wegen Arroganz und so…

Sei´s „Drum“, zwischen Ärzten und den sonstig bekannt Ätzenden steht noch ´ne Dusselrock CD. Deckel drauf, Klappe zu, Affe tot. Ko-Sieger: O/ENKELZ!

Übernommene „Feindbilder“? Ist uns scheißegal. „Wir“ haben mit diesem albernen Kleinkrieg nachweislich NICHT angefangen, werte scheuklappenbehaftete Gutmenschen.

Fernab jeglicher Selbstbeweihräucherung: Die Post geht nun ultimativ noch abber als ab. Unmissverständlich an alle An- oder Abwesenden: Hier wird NICHT eine des schnöden Mammons wegen vereinbarte Dienstleistung zugunsten selbstdarstellerischer Eitelkeit absolviert, hier wird sich – der eigenen, pur empfundenen Geilheit in Sachen musikalischen Sendungsbewusstseins – physisch diszipliniert bis kurz vorm Kollaps ausgetobt! Im Austausch mit der fordernden, hemmungslosen Resonanz des Mobs. Vereint im hektoliterweise strömenden Gesamtschweiß der Nacht.

Die Lieder stammen zwar bekanntermaßen zum allergrößten Teil nicht aus eigener Feder, die unkaschierte Animalität des Vortragens zwischen Melancholie und Brutalität mit entsprechender Einstellung steht jedoch jedem Interpreten im Sinne eines ehrlich empfundenen Rock und Roll generell offen.

Erst recht bei „Auf gute Freunde“. Alle Mitarbeiter/innen der Bande werden auf die Bühne gebeten, vorgestellt und zum Mitsingen animiert. Enkliger Familiensinn pur für heute Nacht.

Das ebenfalls zum ersten mal interpretierte, abschließende „Nur Wenn Ich Besoffen Bin“ erzeugt sofort spürbar eine differenzierte Stimmung zu den vergangenen fast 3 Stunden.

Irgendwo zwischen Wehmut, Melancholie, des In Sich Gehens, Überdenken des eigenen Ichs wegen teils gar nicht vermuteter Feinfühligkeit hinter der eigenen rauen Schale, den individuellen Gedanken freien Lauf lassend usw.…

Alles hypothetisch. Ganz klar. Aber irgendwas in dieser Richtung muss wohl offensichtlich da gewesen sein.

Wie sonst kann es angehen, dass ein unwiderruflich beendetes Konzert mit dem Ergebnis endet, dass Keine/r geht.

Der DJ legt „Erinnerungen“ auf, die gesamte Meute singt lautstark innbrünstig eine Bühne ohne Musiker an. Normal ist das keinesfalls. Zum Glück.

Geschätzte 99% aller Beteiligten demonstrieren unverholen, dass die besten deutschsprachigen Lieder aller Zeiten doch wesentlich mehr bewirken können, als nur ins Publikum gezirkelte Kopfbedeckungen aus Mexiko zu bejubeln.

Da ist er wieder, dieser sporadisch auftretende Kloß im Hals, verbunden mit der Gewissheit, dass es nicht bei jedem Auftritt derartig „gefühlsecht“ ab/aus/reingeht.

Alternativ erfrischend ist die Bekanntschaft mit dem „Böhsen Hörnchen“. Patricia ist auch im Internet engagierte, haustierfreundliche Eignerin von nicht tätowierten Streifenhörnchen. Immer wieder erstaunlich, was Neffen und Nichten außer BO sonst noch so für Hobbys pflegen.

Keine heile Welt ohne Störgeräusche. Wir erfahren später, dass im Fanbus aus Hamburg ein offensichtlich irregeleiteter Krawallbruder mit keinesfalls duldbaren Parolen die gute Laune erheblich stört.

Unter Androhung eines derben physischen Verweises wird der Schwachkopf ruhig gestellt und bedankt sich später nicht einmal, dass man ihn bei total verregneter Nacht nicht einfach vor die Tür gestellt hat. Der übliche Quotenidiot zur Gewährleistung der Statistik, mehr nicht.

Trotzdem bleibt wieder einmal nur ein Fazit: Brem´n ist stets genehm.

Knutzen